Samstag, 30. Juni 2012

LEINEN LOS

Donnerstag,
Meuterei, Mein Schlauchboot ist weg. So war das nicht gemeint mit "Leinen los". Die letzten Tage habe ich es immer hinterher gezogen, wie schon so oft. Jetzt das. Was ist passiert?
Bin Mittwoch ganz gemütlich gestartet. Vor mir lagen viele viele kleine Inseln. Das Wetter war ziemlich flexibel. Ich hatte Wind aus Süd dann Nord, West und zum Schluss wieder Süd der Stärke 0 bis 4 Bf. Sonne und Regen wechselten sich auch ab. Ich hatte mein IPad beiseite gelegt und mich an Hand der Seekarte durch das Inselgewirr gelotst. Immer schön ein Kreuz an welcher Insel ich gerade vorbei bin. - Nach der dritten Schäre links abbiegen, Kurs 370 Grad - stand auf meinem Spickzettel. Die Wahrnehmung verändert sich schon deutlich, wenn ich mich nicht auf die Elektronik verlasse. Und sie könnte ja auch mal kaputt gehen. Mittagessen habe ich während der Mittagsflaute an einer Schäre liegend gekocht. Heckanker ging nicht, hinter dem Boot war das Wasser schon wieder über 10 Meter tief. Als der Wind ansprang, musste ich so gleich wieder los. Zum Schluss ging es durch eine ziemlich schmale Durchfahrt, fast wie ein Kanal, fast zum Greifen nah das Ufer zu meinem Tagesziel, Marsholm.

Nun aber, geeigneten Felsen aussuchen, rechtzeitig den Heckanker schmeißen, die Vorleinen liegen schon bereit, an Land springen, hui ist das glitschig, stimmt es hat ja heute heftig geregnet, Leine um einen Baum binden, zweite Leine zur anderen Seite um einen dicken Stein, dazu auf allen Vieren den Felsen hoch, wieder runter, abseilen an der Leine, Leine vom Heckanker stramm ziehen, damit das Boot nicht gegen den Fels dümpelt, umschauen, wunderbar, alles hat geklappt, Boot liegt ruhig, Heckleine ist stramm. Ich bin zufrieden. Der Platz ist eine Empfehlung der schwedischen Seglervereinigung. Schön so eine App.

Ein Motorboot zog am Heck vorbei durch meine Bucht. Naja ein Boot. Noch eins . . . Dann ein Ausflugsdampfer, der macht ordentlich Schwell. Ich renne nach vorne, habe Angst, dass der Bug gegen den Stein kracht, ziemlich heftig schaukelt das Boot. Der Platz vorm Bug reicht. Uff nochmal gut gegangen. Das scheint hier wohl eine Abkürzung zu sein. Der empfohlene Weg geht aussenrum!
Ich war schon enttäuscht, lag aber bei dem für die Nacht angesagten Wind gut geschützt. Und ab 2100 Uhr wurde es dann still. Ich konnte beruhigt die Insel erkunden.
Am nächten Tag dann das Ablegemsnnöver, Schiff Seeklar machen, Motor an, Berg hoch, Vorleine 1 los, Vorleine 2 Los, wieder an Bord, aufwickeln, Anker einholen, halt, noch Handschuhe holen, ziemlich viel Dreck kommt mit hoch, steht in keinem Handbuch, dass man ne Pütz mit Wasser neben sich braucht, um noch irgend was anderes anfassen zu können. Anker, Kette, Tau, Handschuhe, alles landet auf dem Cockpitboden. Jetzt erst mal Kurs halten, frei vom Ufer kommen und die Pinne dann dem Autopiloten übergeben, Fock hoch und 10 Eimer Wasser über den Wust den ich gerade an Bord geholt hatte kippen. Neuer Kurs, Karte lesen, Anker verstauen - wer denkt da noch an das Schlauchboot? Hängt ja seit drei Tagen sicher an seiner Leine.
Großsegel hoch, ich navigiere nach Karte, guter Wind, LYAN läuft über 5 Knoten. Hier draußen sind die Schären ziemlich kahl, "trocken" heißt das. Manchmal stehen windgeformte kleine Kiefern drauf, Die größeren, geschützt, liegenden waren schon seit Jarhunderten bewirtschaftet. Mein Ziel war Hasselö, ein Naturreservat im Mittelpunkt des Schärengartens.
Der Anlegesteg ist noch nicht fertig, ein Baggerschiff liegt davor, ich schaue mich um und finde einen hoffentlich geeigneten Granitblock zum Anlegen. Unvorbereitet gehe ich ins Mannöver. Die extralangen Leinen liegen in der Kajüte auf einem Haufen, brauche ich ja nicht, dachte ich, wollte ja am Steg festmachen. Irgendwie zwei Leinen zusammenknoten, Heckanker raus, - Huch, wo ist denn das Schlauchboot? Langsam an Land und mit der Leine in der Hand auf den Felsen springen. Pech, es ist die falsche Leine, die andere ist fest am Boot, Der Bug dreht vom Ufer weg. - So schnell war ich noch nie im Wasser, waren ja nur zwei Meter, andere Leine geangelt, wieder auf den Felsen. Ich finde zwei dicke O-Ringe, die jemand schon in den Stein geschraubt hat. Und das Schiff liegt fest und sicher an seinem Platz. Jetzt ist Zeit zum Nachdenken.
Eine alte Seglerweisheit habe ich missachtet, eigentlich immer alles klar zu haben. Und alle Einrichtungen, Knoten, Splinte ect. zu überprüfen. Geduld und Gelassenheit ist gefragt und sorgfältig alles vorbereiten und und... Ich lerne. Zu oft noch lasse ich mich ablenken vom Wesentlichen und Notwendigen. Ich bin hier draußen und das ist schön. Gestern und morgen sind unwichtig. Alles zu seiner Zeit. Das will ich ja hier üben. Schön ist es dabei mit so vielen Menschen verbunden zu sein. Danke.




Mittwoch, 27. Juni 2012

SPURENSUCHE

Wieder ein geschichtsträchtiger Ort. Blankaholm, ganz im innersten Schärengarten von Västervik. Schon seit 4 000 Jahren gibts hier Siedlungen. Damals war Blankaholm noch eine Insel. 15-20 Meter hat das Land sich seitdem gehoben und neue Inseln entstehen lassen. Mecklenburg sinkt dagegen ab. Mir wird wieder klar, dass nichts so bleibt wie es ist, auch wenn wir das nicht mögen. Erst seit
10 000 Jahren gibts überhaupt die Ostsee. 40 Meter über der Ostsee sitze ich auf einem Granitklotz und staune und wundere mich. Weg von Fernseher und Dauerinfos und Finanzspielen verändert sich die Realität und bekommt eine andere Dimension. Das ist das Schöne an dieser Reise. Real ist das, was ich mit allen meinen Sinnen wahrnehme und die werden hier reichlich gefüttert.

Der praktische Sinn der Schweden begeistert mich. Einfach und zweckmäßig sorgen sie hier für das Nötige. Neben den prähistorischen Spuren gibts hier noch andere. Mitten in einer Industriebrache liegt  das Freizeitzentrum. Seit ewigen Zeiten gab es hier eine Kupfermiene und die letzten 100 Jahre ein Sägewerk. Mit allerlei übriggebliebenen Betonfundamenten Die werden einfach mit einfachsten Mitteln überbaut. Mit Holz und mit Pflanzen. Ist schon etwas skurril die Anlage. Hat ihren eigenen Flair und sonst alles was man braucht. Mit "Tante Emmaladen", einen wunderschönen Kräutergarten und Badetonnen. Da wird Feuer drunter gemacht und rein ins Vergnügen. Leider muss man mehrere sein um den Spaß zu Nutzen. Für mich alleine ist das zu aufwendig. Bootsdiesel wird einem an Bord gebracht. So viel Service hatte ich noch nie, Internet ("trådlöst Internet") und Waschmaschine inbegriffen. Ich, mach mich nun auf durch den "schönsten Schärengarten Schwedens" gen Norden.

SCHÄREN IM DAUERREGEN

Da bin ich extra um 0800 aufgebrochen und habe mich so auf die Schären gefreut. Kaum zog ich die Fock hoch, setzte der Dauernieselregen ein, der schon die ganze Nacht hindurch zu hören war.
Zudem habe ich mir beim Ablegen wieder ein Seil in die Schiffsschraube befördert. Kaum hat man die Vorleine los, muss man als Alleinsegler auch schon zum Heck rennen, da das Boot ja sonst gleich wo gegen stößt. Habe gedacht, ich habe die Vorleine elegant aufs Vordeck geworfen. Muss dennoch ins Wasser gerutscht sein. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen. Diesmal kein Getriebeschaden sondern nur eingeklemmter Schaltweg. Das heißt, die Vega fährt 3 Knoten vorwärts oder gar nicht, weil ich zum Stoppen den Motor ausmachen muss.
Konsequenz? Ich schneide alle Vorleinen auf 7 Meter Länge ab. Jetzt kann keine mehr in die Schraube kommen. Ein Tauchgang am Ankerplatz löst den Rest des Problems. Mit freigeschnittenem Propeller funktioniert alles wieder tadellos.
Trotzdem irgendwie schön das Schärenfahrwasser. Dank IPad komme ich tadellos an allen Steinklötzen vorbei. Bloß viel zu schnell. Der Wind schiebt mich mit 5-6 Knoten durch das Wirrwarr. Je tiefer ich dort eindringe, desto ruhiger wird es. Vorbei geht es an baumbewachsenen Felseninseln, grünen Wiesen, die bis ans Wasser reichen, schmucken Ferienhäusern, kleinen Holzhütten auf Lichtungen oder auch dorfähnlichen Siedlungen, die aussehen als stünden sie schon hunderte von Jahren so. An meinem Ankerplatz schmeiße ich erstmal die Heizung an. Auf volle Pulle. Mit der Warmluft trockne ich meine vom Dauerniesel durchdrungenen Klamotten, Ölzeug, Handtücher ect. Seit 6 Stunden fällt das Barometer nicht mehr, also muss es ja bald besser werden. Die LYAN wird zur Tropfsteinhöhle. Der Wind dreht. Ich muss den Heckanker mit dem Schlauchboot ausbringen, gegen den Wind. Später wird der Wind dann so stark, dass ich den Ankerplatz verlassen muss und nach Blankaholm in den sicheren Hafen verhole.

.

Dienstag, 26. Juni 2012

SALTKROKAN

Samstag u Sonntag.
Am Ende des Norrekalmarsund liegt eine kleine Insel, Furön genannt. Mein Ziel. Es war eine gemütliche Segeltour dorthin. Die wummernden Bässe aus der zurückliegenden Strandhoteldisco waren noch lange auf See zu hören. Irgendwie war ich zu faul das Groß auch noch zusetzen, und die Fock gegen die Genua auszutauschen. LYAN lief auch so fast 4 Kn.
Manchmal ist gemütlich auch schön, Zeit zum Lesen und Dösen ist dann reichlich vorhanden. Um den Hafen noch bei Licht zu erreichen, musste ich die letzte Stunde dann doch den Motor um Hilfe bitten. "2200 fest in Furön", steht im Logbuch.
Wer kennt noch die alten Filme nach den Astrid Lindgren Büchern? Bullerbü und so? So sieht es hier aus. Ein kleiner Traum, drum bleibe ich auch etwas länger und genieße die Ruhe. Ich liege hier kostenlos in einem kleinen Hafen, ohne jegliche Versorgung, mitten in einem Naturreservat. Das schwedische Allemansretten macht's möglich. Rund um den Hafen stehen kleine rote Holzhäuser. In der Natur machen die Schweden gerne Urlaub . So einfach wie möglich. Oft ist nur ein Holzgestell drin, um Isomatte und Schlafsack drauf legen zu können. Ein kleiner Petroleumofen aus dem Rucksack erzeugt nötigenfalls Wärme.
Unter einem Vordach steht eine Spüle. Alles so nah an der Natur wie möglich. Und hinterm Haus das Plumsklo.
Ich wandre über die Insel. Jedenfalls den Teil der frei zugänglich ist. Freue mich an den Blumen den knorrigen Büschen und den Flugkünsten der Vögel. Entdecke die Reste einer Lorenbahn. Wofür die wohl da war? Wahrscheinlich gibt es den Hafen auch nur wegen dieser vergangenen Aktivitäten. Längs der Schienen laufe ich, dann dem Strand entlang. Vor mir eine Möwenkolonie. Als ich näher komme, fliegt eine Möwe Scheinattacken auf mich. Mit viel Geschrei dicht über meinen Kopf hinweg. Halt, nicht weiter. Ich habe verstanden und drehe um.
Nun ist Zeit zum Lesen, Hausarbeit, Brotbacken, diesmal mit meinem Cobbgrill und 9 Holzbriketts. In einer kleinen Kastenform gelingt es fast perfekt. Nur der Boden wieder leicht schwarz, das mit der Temperaturführung ist noch nicht optimal. Vielleicht hilft ja ein flacher Stein unter der Form. Auf jedenfall wäre genug Hitze da gewesen, um anschließend vielleicht noch Muffins zu backen.
550 Seemeilen liegen hinter mir. Habe ganz schön was gelernt und an Sicherheit und Vertrauen gewonnen, in mich und das Schiff. Kriege sogar Lust auf mehr Langfahrten. Jetzt beginnt aber der gemütliche Teil. Werde mich Montag in den Schärengarten stürzen. Und am Ende, am nördlichsten Punkt meiner Tour, kurz vor Stockholm, wird meine Kristjane an Bord kommen. Darauf freue ich mich besonders.

Samstag, 23. Juni 2012

EINFACH IGNORIEREN = SOMMAR

Das Wetter? Jetzt ist Sommar. Das scheint das Motto der Schweden zu sein. In Sommerkleidern mit Blumenkränzen im Haar, die Mädels. Die Jungs in T-Shirt und ner Bierdose in der Hand. Den einsetzenden Dauernieselregen ignorieren sie einfach. Ein Boot scheint auch dazu zu gehören. Vom Fischkutter über Segelboote, bis zum offenen Motorboot mit Plastikplane drüber scheinen alle schwimmenden Planken zu Partyschiffen umfunktioniert zu sein. Und ein Grill muss auch sein. Die stehen jetzt auf der Kaimauer rum. Aus allen Ecken wummert Musik. Selbst unter der Plastikplane dröhnt und bewegt es sich.
Gegen Nordostwind musste ich mich nach Nordosten vorkämpfen. Aus meinem geschützten Ankerbucht heraus, blies mir der Wind um die Ohren, so dass erstmal nur die Fock hochging.
Als Anker hatte ich meinen alten Klappanker genommen. Der ist ja in Deutschland verpönt. Darf in keinem Ankertest mitmachen. Aber in Schweden sieht man ihn häufiger. So lag er auch unten an der tiefsten Stelle der Backskiste, wollte ihn schon austauschen, da ich ja mittlerweile "moderne Anker" habe. Mit ihm an Deck zog ich auch Unmengen an Kraut, Seegras ect. Die modernen hätten bestimmt versagt, aber der hatte mich sicher gehalten. Mit dem Messer musste ich das Grünzeugs abschneiden. Derweil tuckerte Lyan per Autopilot langsam gegen den Wind.

Nur unter Vorsegel gelangte ich also über den Kalmarsund in etwas ruhigeres Wasser.
Gute Erfahrung: mit einer Albin Vega kann man auch nur mit der Fock gegen den Wind kreuzen, der hier mit 6 Bf bließ. Nur: Aus den eigentlich in Luftlinie 8 NM nach Borgholm, wurde eine Segelstrecke von 18 und dafür brauchte dann über 4 Stunden.
So habe ich die traditionellen "Sommar"feiern leider verpasst. Stattdessen wandern aufs Schloss und ins Naturreservat.
Jeden Sonnenstrahl heute Morgen zum Sonnenbaden genutzt . Hier beginnt das Strand- und Urlaubsleben der Schweden. Ich mache mich auf gen Nordwesten.